Geschichte / Nautiluspokal, Pokal
Nautiluspokal in vergoldeter Silberfassung getragen von einer Nereide auf einem Delphin.
Die Muschel graviert mit Bauernszenen.
Die Muschel umfassen Stege mit Puttenhermen.
Lippenrand mit fein geschwungenen Blütenranken gepunzt; ebenso die Platte am unteren Teil der Muschel.
Im Innern in durchbrochener Arbeit ein Visierhelm.
Darüber, die Muschel bekrönend, Neptun mit Dreizack auf zwei Delphinen sitzend.
Der Fuss des Gefässes auf dem gewölbten Rand mit breiten Schweifgrotesken in Treibarbeit; in der glatten Einschnürung aufgelegte Ornamentstücke in Weisssilber.
"Bei dem Nautiluspokal in der Sammlung Giovanni Züst haben wir es mit einer herausragenden Arbeit zu tun.
Nicht nur die Qualität der ornamentalen Treibarbeiten, sondern auch die der figürlichen Teile ist ersten Ranges, so dass wir mit grosser Wahrscheinlichkeit die Mitarbeit eines Bildhauers, der die Gussmodelle geschaffen hat, annehmen müssen." (laut Kunsthistoriker und Kenner Dr.
Helmut Seling, München)
Die Silbersammlung von Giovanni Züst stand 2017 im Fokus der Öffentlichkeit, als die mit Bundesmitteln unterstützte Provenienzforschung in unserem Museum zwei wertvolle Silberpokale als NS-Raubkunst identifizierte.
Sie wurden an die Erben von Emma Budge (1852-1937), einer jüdischen Kunstsammlerin und Mäzenin in Hamburg, zurückgegeben.
Die Nachforschungen ergaben aber auch, dass die Herkunft des besten Stücks der Silbersammlung, dieser kunstvolle Nautiluspokal, unbedenklich ist: Der Kunstliebhaber Giovanni Züst (1887-1976) mit Wurzeln in der Ostschweiz, aufgewachsen in Basel und später erfolgreicher Transportunternehmer im Tessin, erwarb den Pokal in den 1960er-Jahren im Kunsthandel.
Bis 1960 war er in Besitz der jüdischen Familie Ullmann, die 1938 aus Deutschland fliehen musste und den Pokal mit anderen Objekten nach London in Sicherheit bringen liess.
Der Nautilus ist das Gehäuse eines Weichtiers aus der Gattung der Kopffüssler und wird auch Perlboot genannt.
Die exotischen Schalen kamen mit dem Orienthandel nach Europa und wurden von Goldschmieden kunstvoll gefasst; die Mode dauerte etwa von 1570 bis 1690.
Nautiluspokale sind typische Prunkstücke der Renaissance- und Barockzeit.
Als Trinkgefässe wurden sie wohl kaum verwendet, man präsentierte sie in noblen Kunst- und Wunderkammern.
Der Bezug zum Meer spiegelt sich im Figurenschmuck: Oben thront Poseidon auf einem Delfin, als Schaft dient eine Nereide, die das Perlboot stützt und mit ihrem Fischschwanz auf einem weiteren Delfin kniet.
Auf der Schale ist eine vergnügliche Wirtshausszene dargestellt, wo sich Männer und Frauen mit Kartenspielen, Trinken und dem neumodischen Tabakrauchen die Zeit vertreiben.
mm
Herkunft: Europa, Deutschland, Augsburg
Datierung: um 1645
Hersteller(in): Philipp I Wolhaupter
Material: Silber vergoldet
gegossen, getrieben, punziert
Masse: H 43 x B 22 DM 13 cm
Inventarnummer: G 17604
Provenienz:
- David Relling
- 1909: Albert Ullmann, Ankauf
- 1960: Unbekannter Kunsthändler , Ankauf
- 31.12.1968: Giovanni Züst (1887-1976 ), Schenkung
- Kulturmuseum St. Gallen