Ethnologie / Gedenkkopf einer Königinmutter Benin
Ist heute von Benin-Bronzen die Rede, wird auch gleich an die britische Invasion im Königreich Benin im Februar 1897 gedacht. Ein Ereignis, das im kollektiven Gedächtnis der Edo bis heute präsent ist, wenn es um die Beurteilung britischer Kolonialherrschaft geht. Trotz der faktischen Entmachtung des damaligen Oba Ovonramwen und der Plünderung seiner Residenz haben das Königtum in Benin und dessen Traditionen und auch die Kunst der Metallgiesser bis heute überdauert. Ein Beispiel für die Kunstfertigkeit der Metallgiesser sind die Gedenkköpfe für die Königinmutter, der Iyoba. Am Anfang dieser Tradition steht Oba Esigie, der 1504-1550 regierte. Er liess beim Tod seiner Mutter einen Gedenkkopf giessen und im Königspalast auf einem Ahnenaltar platzieren. Zu Beginn wurden die Gedenkköpfe als lebensnah gestaltete Skulpturen gegossen. Später stieg der Abstraktionsgrad, und eine gewisse Typisierung führte zu einfacheren Gusserzeugnissen. Der Gesichtsausdruck wirkt starr. Der Kopf ist reich geschmückt. Korallenschmuck reicht am Hals bis zur Unterlippe. Die geflochtene Spitzenhaube aus Schnüren mit Korallen und Perlen, die die Frisur zusammenhält und nach vorne leicht gebogen ist, stellt das besondere Würdezeichen der Iyoba dar. Diese Form der Würdigung fand in Anerkennung der bedeutenden Rolle statt, die sie als Lebensspenderin des amtierenden Oba einnahm. Die Königinmutter war zu Lebzeiten mit Privilegien und Macht ausgestattet, lebte aber getrennt von ihrem Sohn in einem eigenen Palast in Uselu. Der Ort liegt heute auf dem Gebiet von Benin City. Zusätzlich erhielt sie Land und Dörfer zur eigenen Versorgung. Sie trat in der Öffentlichkeit nicht auf, beriet aber ihren Sohn auf dessen Wunsch in politischen Fragen, pflegte aber ansonsten keinen direkten Kontakt zu ihm. as
Herkunft: Afrika, Westafrika, Nigeria, Königreich Benin
Datierung: Ende 18. / Anfang 19. Jh.n.Chr.
Material: Bronze, Gelbguss mit Eiseneinlagen
Masse: H 52 x B 27 x T 28 cm
Inventarnummer: VK C
3172
Provenienz:
- 12.1940: Han Coray (26.04.1880-23.10.1974), Ankauf
- Kulturmuseum St. Gallen