Ethnologie / Webstück, zu Webapparat der Navajo-Indianer D 1443

Webstück, zu Webapparat der Navajo-Indianer D 1443

Teppichweber
Die allgemeine Feststellung, dass der Weg vom Flechten zum Weben führt, ist keine neue Entdeckung. Bei den Ureinwohnern Amerikas existierten jedoch zum Zeitpunkt der Entdeckung die verschiedensten Stadien und Formen der Textilkunst von sehr einfachen bis zu den fortgeschrittensten mit Hilfe wirklicher Webstühle, so dass die Entwicklung dieser Kunstgattung hier sehr augenfällig wird. Der Südwesten war die Region, die bereits in vorkolumbischer Zeit zur Benutzung des Webstuhls und zur Herstellung schöner Wandteppiche übergegangen war. Auf Webstühlen begannen dann in nachkolumbischer Zeit zwar nicht die Pueblo-Indianer, aber die Navajo - und zwar als einzige in Nordamerika - auch Wandteppiche zu weben. In der nachkolumbischen Ära erschien so im Panorama der indianischen Kunst Nordamerikas eine neue Disziplin. Das Aufkommen von Wandteppichen bei den Navajo hängt unmittelbar mit der Verwendung eines neuen Materials zusammen - der Wolle. Sie ist aus Spanien über Mexiko in den Südwesten Nordamerikas gelangt. Die im 19. Jahrhundert von allen Südwestlichen Indianern, besonders aber eben von den Navajo, gehaltenen spanischen Schafe hatten zwar nur sehniges Fleisch, aber sie lieferten eine lange, glatte Wolle, die »Churro« genannt wurde und ein ideales Spinnmaterial bildete. Heute halten die Teppichweber der Navajo auch das spanische Merinoschaf und das französische Ramboquillet. Die Indianer scheren die Schafe gewöhnlich im Mai, wenn die Wolle am stärksten ist. Nach der Schur wird sie gereinigt, aufgelockert und in der Sonne getrocknet. Die Navajo-Weber bleichen die geschorene Wolle, indem sie diese mit Kaolin bzw. Gips bestreuen. Dann wird die Wolle mit Hecheln geriffelt. Das Riffeln von Hand ergibt ein gleichmäßiges und festes Garn, aus dem die Navajo-Teppiche gewebt werden können. Nach dem Riffeln erfolgt das Spinnen, wozu die Navajo eine etwa halbmeterlange Spindel benutzen - einen langen Stab, an dem eine hölzerne Scheibe befestigt ist, die als Schwungrad wirkt. Das zur Herstellung von Teppichen bestimmte Garn wird zwei- oder dreimal gesponnen. Und die Geschichte der indianischen Kunst kennt auch Fälle, in denen man die zur Schaffung besonders kostbarer Teppiche verwendete Wolle zehnmal gesponnen hat. Nur den Navajo eigentümlich ist das Färben der Wolle in intensiven, leuchtenden Farben. Ihre Teppichkunst ist geprägt von einem scharlachroten Farbton, den man »Bayeta« nennt. Um das Material für diese Farbe zu gewinnen, haben die Frauen der Navajo angeblich die roten Wolluniformen spanischer Soldaten, die in den zahllosen Kämpfen gegen diese so freiheitsliebenden Indianer gefallen waren, aufgetrennt und wieder zu Fäden versponnen. Das Bayeta-Rot herrscht auch heute noch auf den Navajo-Teppichen vor. Daneben wurden aber auch andere Farben verwendet. Sie kannten über hundert Rezepte zum Färben der Wollfäden mit Hilfe aus Pflanzen gewonnener Farbstoffe. Obwohl die Navajo von sich behaupten, dass sie das Weben an Webstühlen schon seit Urzeiten beherrschten, bezeugen doch neuere Forschungsergebnisse eindeutig, dass die Navajo dies von den Pueblo-Indianern übernommen haben, die diese Kunst freilich schon vor 2000 Jahren ihrerseits von den mexikanischen Indianern erlernten. Zwischen den Navajo und den Pueblo-Indianern besteht hinsichtlich der Webkunst ein wesentlicher Unterschied: bei den Pueblos weben die Männer (hier gibt es aber auch Ausnahmen), bei den Navajo werden die schönen Teppiche fast ausschließlich von Frauen gefertigt. Auch die Materialgewinnung, die Schafhaltung, ist bei den Navajo Frauensache.

Herkunft: Amerika, Nordamerika, USA, Südwesten
Datierung: um 1900
Material: Wolle, gewebt
Masse: H 135 x B 34 cm
Inventarnummer: VK D 1444

Provenienz:
- 22.12.1919: Louis Täschler (25.07.1846-06.02.1924), Ankauf
- Kulturmuseum St. Gallen

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