Ethnologie / Stehende männliche Ahnenfigur «moai tangata»

Stehende männliche Ahnenfigur «moai tangata»

"moai tangata"

Das Objekt fasziniert den Sammlungsleiter und stv. Direktor Achim Schäfer besonders. Schon die Herstellung mit einfachen Stein-, Knochen- oder Muschelwerkzeugen war eine Herausforderung. Der übergrosse, aber charakteristisch und mit feiner Glockenfrisur herausgearbeitete Kopf, der relativ kurze Körper mit der Betonung des Bauches und die kurzen Beine geben Rätsel zum Schönheitsideal der Osterinsulaner auf. Die Augen aus Obsidian und Umrandungen aus Schwanzwirbelknochen des Haifisches zeugen von grosser Phantasie und grossem Können ihrer Hersteller. Die Osterinsel Rapa Nui, 1888 von Chile annektiert, ist weltberühmt für ihre grossen Steinskulpturen, die moai. Weniger bekannt sind die kleinen Figuren aus Holz, die auf der Insel nicht mehr zu finden sind. Stattdessen werden sie in vielen Museen der Welt aufbewahrt. Sie haben ganz unterschiedliche Ausprägungen. Es gibt zum Beispiel Figuren, die naturalistisch geschnitzte Männer zeigen, die moai tangata. Ihre Proportionen erinnern mit ihren grossen Köpfen, der frontalen Körperhaltung und dem ausgeprägten Bauch an die erwähnten Steinfiguren. Ferner wurden weibliche Figuren, die moai paapaa, und männliche moai kavakava-Figuren mit deutlich erkennbarem Rippenbogen und eingezogenem Bauch geschnitzt. Um die Ahnenfiguren anzufertigen, verwendeten Schnitzer Treibholz oder das harte, schwere Holz des mittlerweile ausgestorbenen, knorrigen Toromiro-Strauchs als Rohstoff. Die Augen sind mit Knochenplättchen und Obsidian eingelegt. Als Werkzeuge dienten den Kunsthandwerkern vermutlich nur Haifischzähne und scharfe Obsidian-Splitter. Der genaue Verwendungszweck der Figuren ist wie bei den grossen Steinfiguren nicht sicher geklärt. Vermutlich stellen sie Ahnen dar, die es zu respektieren galt. Die Figuren wurden bei Festen aufgestellt, um so die Ahnen am gesellschaftlichen Leben teilhaben zu lassen und sich gleichzeitig deren Schutzes zu versichern. Besucher der Insel im späten 19. Jahrhundert berichten, dass Würdenträger bei Prozessionen zehn bis zwanzig solcher Figuren an Schnüren um den Hals getragen hätten. In der übrigen Zeit seien diese, in Säckchen verpackt, in den Hütten aufgehängt gewesen. Heute können Touristen auf der Insel verschiedene Erinnerungsstücke erwerben, darunter auch geschnitzte Gegenstände, die aber keinerlei Bezug mehr zu diesen längst untergegangenen Traditionen haben. as

Herkunft: Ozeanien, Polynesien, Chile, Osterinsel, Rapa Nui
Datierung: um 1900
Material: Toromiro-Holz, Knochenplättchen, Obsidian
Masse: H 39,5 x B 12 x T 11 cm
Inventarnummer: VK E 1295

Provenienz:
- 1935: Eduard von der Heydt (26.09.1882 -03.04.1964 ), Schenkung
- Kulturmuseum St. Gallen

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