Geschichte / Heidispiel, Marionetten und Kulissen von Hedwig Scherrer für das St.Galler Marionettentheater
Die fesselnden Geschichten des Waisenkinds Heidi haben seit ihrem Erscheinen im Jahr 1880 Generationen begleitet. Heute kennt man sie aus japanischen Anime-Zeichentrickfilmen, früher pilgerten die Kinder ins St.Galler Marionettentheater, um sie zu erleben. Der Kaufmann Hermann Scherrer gründete diese Bühne 1903 – als erstes Figurentheater der Schweiz. Auf einer Geschäftsreise in München hatte er die Marionettenaufführung von Josef Leonhard Schmid besucht. Er war so fasziniert, dass er das Spiel nach St.Gallen holen wollte. «Papa Schmid» schenkte ihm die erste Ausstattung. Die Aufführungen fanden zuerst in Scherrers Geschäftshaus «Kamelhof» an der Multergasse in St.Gallen statt und ab 1912 in einem neuen Theatersaal an der Eschenstrasse. Für den Zuschauerraum schuf die junge St.Galler Künstlerin Hedwig Scherrer die Wandmalereien – nicht von ungefähr hiess sie auch Scherrer; sie war die Nichte von Hermann. Mit Johanna Spyri beschäftigte sie sich erstmals 1906/07, als sie die Lebensgeschichte der Autorin für die Zeitschrift «Die Schweizer Frau» illustrierte. Die Idee, Heidi in St.Gallen auf die Bühne zu bringen, entstand zu Beginn der 1930er-Jahre. Hedwig Scherrer besuchte Maienfeld und begann, Skizzen anzufertigen. Aufgeführt wurde das Stück zwischen 1936 und 1943. Die Figuren vermitteln den feinen Schalk und das zeichnerische Talent der Künstlerin. So pointiert, wie sie Johanna Spyri beschrieben hat, so präzise ist ihr Charakter auch hier auf den Punkt gebracht: Fräulein Rottenmeiers verkniffener Mund und spitze Nase, die sie belehrend in alle Angelegenheiten steckt, Tante Detes Grossstadt-Allüren mit etwas zu viel Rouge auf den Wangen, Klaras vornehme Blässe und Heidis lebensfrohe Unbekümmertheit. Sie ist gleich doppelt vorhanden! mm
Herkunft: Europa, Schweiz, St. Gallen
Datierung: um 1935
Hersteller(in): Paul Schiess
Material: Holz geschnitzt, bemalt; Stoff; Metall
Inventarnummer: G 21403
Provenienz:
- 1979: Paul Scherrer-Bylund, Ankauf
- Kulturmuseum St. Gallen