Geschichte / Vorhängeschloss Brühltor St.Gallen

Vorhängeschloss Brühltor St.Gallen

Unter den Beispielen der Schlosserkunst im Museum sticht dieses Stück hervor, weil es Einblick in einen speziellen Aspekt des öffentlichen Lebens gewährt: das nächtliche Abriegeln der Stadt zum Schutz ihrer Bewohnerinnen und Bewohner. Das Schloss ist nach der Erneuerung des Brühltors 1573 entstanden, wobei nicht überliefert ist, welcher Zugang damit verriegelt wurde. Beim Karlstor kann man heute noch erkennen, dass es ein inneres und ein äusseres Tor gab. Im Dekor des Vorhängeschlosses spiegelt sich der Handwerksstolz der Schmiedezunft, zu der die Schlosser zählten: Zwischen fein gravierten Ranken tauchen lustige Fratzengesichter (Grotesken) auf – eine Vorliebe der Renaissance, die das Kunsthandwerk in unserer Gegend von 1525 bis 1635 prägte. Jeden Abend wurden die Stadttore nach dem Läuten einer Glocke um 22 Uhr geschlossen. Für diese wichtige Aufgabe waren zwei Torschliesser mit mehreren Schlüsseln zuständig. Sie lösten die Torhüter ab, die untertags den Verkehr kontrollierten. Kurz vor Torschluss erschallte der Ruf: «Lauf!». Wer jetzt noch draussen war, musste sich sputen. War das Tor verriegelt, traten die sogenannten «Torwachter» ihren Dienst an. Sie patrouillierten in der Nacht und prüften die Schlösser. Immer wieder gab es Vorfälle, die den Rat der Stadt beschäftigten. 1566 rügte er die Torhüter, weil sie, statt Personen zu kontrollieren, Hühner und Eier aufkauften. 1572 musste er wiederum die Torschliesser ermahnen, sie sollten ihre Waffe bei sich tragen und «nicht in blossen hemperen wie die wöscheren [Wäscherinnen] dastehen». Liederliche Wachter wurden 1661 verzeigt, weil sie Frauenbesuch hatten. Man erklärte sich damit auch die steigende Zahl von Einbrüchen in der Stadt.
1834 war der nächtliche Spuk vorbei, die Torsperren wurden aufgehoben. Beim Abbruch des Brühltors 1836 erwarb Landeshauptmann Joseph Anton Alois Sutter vom Schloss Appenzell das Vorhängeschloss mit der Bemerkung: «Me chas velicht no e mol bruuche». mm

Herkunft: Europa, Schweiz, Ostschweiz, St. Gallen
Datierung: 16./17. Jh.
Material: Eisen geschmiedet, graviert
Masse: H 16,5 x B 13 x T 7,5 cm
Inventarnummer: G 2016.502

Provenienz:
- 06.07.2016: Markus Kaiser (1943 ), Schenkung
- Kulturmuseum St. Gallen

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