Tischuhr

"Deutsche Reichs Colonial Uhr"

Gleich mehrere Topoi der Kolonialzeit stecken in der Darstellung dieser "Reichs-Colonial-Uhr": Zum einen die Anspielung auf die deutsche Flottenpolitik "Unsere Zukunft liegt auf dem Wasser", zum anderen die direkte Kopie des englischen Mottos "The Empire in which the sun never sets" als Ausdruck der weltumspannenden Grösse der deutschen Kolonien, durch die – vermeintlich – Weltgeltung entstand. Zudem ist das Uhrengehäuse durch typische Motive Afrikas geschmückt, z.B. Schlangen, Palmen, eine "Eingeborenen"-Hütte, Kamelreiter oder ein Elefant. Über allem schweben ein Reichsbanner mit dem Schriftzug sowie ein gekrönter deutscher Adler.

"Deutschland will einen Platz an der Sonne" - dieser Wahlspruch galt nicht von Anfang an im deutschen Kaiserreich nach 1871. Kanzler Otto von Bismarck sah das Reich bei seiner Gründung zunächst als saturiert, also "fertig", an. Ab 1884 brach jedoch ein richtiges Kolonialfieber aus, und Bismarck begann, deutsche Handelsposten auch formal unter deutschen Schutz zu stellen. In diesem und den folgenden Jahren erwarb das Deutsche Reich einen Grossteil seiner späteren Kolonien: Kamerun, Togo, Tansania, Namibia und das Bismarck-Archipel (innerhalb weniger Jahre umfasste es Gebiete in West-, Südwest- und Ostafrika, aber auch mehrere kleinere Inselgruppen in der Südsee). Den erhofften wirtschaftlichen Nutzen brachte das Kolonialreich nicht. Rohstoffe wie Erze oder Kautschuk und Agrargüter wie Kakao oder Kaffee konnten den Bedarf im Deutschen Reich nur zu einem Bruchteil decken. Insgesamt überstiegen die Kosten für die Verwaltung und den Aufbau der notwendigen Infrastrukturen in den Kolonien die aus ihnen erzielten Einnahmen bei Weitem. Die in hoher Stückzahl hergestellte Kolonial-Uhr verdeutlicht die machtpolitischen Fantasien. Der Schriftzug auf dem Zifferblatt "Kein Sonnen-Untergang in unserem Reich" verweist auf den Habsburger Kaiser Karl V., in dessen Weltreich Anfang des 16. Jahrhunderts die Sonne angeblich niemals unterging. Die Worte auf dem Wimpel "Unsere Zukunft liegt auf dem Wasser" stammen aus eine Rede Wilhelms II. anlässlich der Einweihung des Stettiner Freihafens 1898. Der Kaiser war überzeugt, dass eine mächtige Schlachtflotte für den Erwerb und die Sicherung der Kolonien unerlässlich sei. Das Zifferblatt verfügt über eine spezielle bewegliche Scheibe, die angibt, wie die aktuelle Uhrzeit in den verschiedenen Kolonien im Vergleich zum Reich ("M.E.Z.") ist. Der Besitzer der Uhr konnte also jederzeit sehen, dass tatsächlich immer in irgendeinem Teil des Reiches die Sonne schien.

Herkunft: Europa, Deutschland, Furtwangen
Datierung: um 1900
Hersteller(in): Badische Uhrenfabrik Furtwangen
Material: Metall, Eisen Messing, Ziffernblatt bemalt
Masse: H 38,5 x B 29,5 x T 7 cm
Inventarnummer: G 2013.007

Provenienz:
- 15.01.2013: Elisabeth Hausknecht (1919 -2011), Schenkung 2011
- Kulturmuseum St. Gallen

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