Geschichte / Farbholzschnitt "Niesen" / Handdruck Nr. 1

Farbholzschnitt "Niesen" / Handdruck Nr. 1

"Niesen / Handdruck Nr. 1"

4 Langholz-Stöcke; Farben: gelb, hell-graublau, grau, braun, dunkelblau.
1910 und 1911 weilte Martha Cunz im Herbst in Merligen am rechten Ufer des Thunersees. Von hier aus hatte sie einen freien Blick auf den Niesen am gegenüberliegenden Seeufer. Der majestätische Berg, der durch die Einfachheit der Umrisslinie dem Bedürfnis nach klarer Komposition entgegenkam und den Ferdinand Hodler in unzähligen Variationen festhielt, hatte es auch ihr sofort angetan. Sie versuchte, "diese herrliche Pyramide so zu fassen, wie sie mich gefasst hat". Selbstbewusst hielt sie jedoch fest: "Und ein 'Hodler' wird es nicht, der Niesen hat auf mich eine ganz andere Wirkung! trotzdem sein Bild von hier mir sehr gefallen hatte."
In einem Brief an Emil Bächler meinte sie: "Und die grosse Pyramide, der Niesen, ist mir immer noch ein Rätsel, dem ich nicht recht beikommen kann. Ich weiss immer noch nicht, wie ihn fassen, dass etwas von seiner Grösse in der kleinen Wiedergabe zum Ausdruck komme. Es kommt mir schon vor, dass ich um ihn herum tanze wie andre Leute um's goldene Kalb. Das Ende wird dann wohl auch danach ausfallen!"
"Niesen" ist der erste von insgesamt fünf Holzschnitten mit diesem Thema. Allein im Frühling 1911 entstanden drei Blätter mit Niesen-Motiven. Diese weisen erhebliche Ähnlichkeiten auf: Im Vordergrund ist jeweils ein Stück Zaun zu erkennen (der Standort der Künstlerin befand sich auf der Terrasse des Hotels "Beatus"). Parallel zum Zaun verläuft der See, im Hintergrund der Bergkegel. Dabei fällt auf, dass der gesicherte Ort des Menschen nie verlassen wird. Nur "Niesen im Schnee" von 1912 und der 1917 entstandene "Niesen bei Abend" verzichten auf diesen schützenden Zaun. Die vorliegende Darstellung zeigt ein Stück Ufer mit abschliessendem Zaun und parallel darüberliegender Wasserlinie. In der Bildmitte, etwas nach rechts versetzt, der Niesen, umgeben von Wolkenballen. Der Parallelismus, von dem man besonders im unteren Bildteil sprechen kann, liesse sich auf beiden Seiten weiterführen. Dieser erste Niesen übertrifft die beiden ebenfalls 1911 geschnittenen "Niesen mit Baum" und "Niesen mit Springbrunnen" in der Schlichtheit der Komposition. Auch farblich zeigt das Blatt Besonderheiten. Neben den transparenten Blaugrautönen leuchten die schmalen, hellgelben Streifen am Himmel wie Blitze.

Herkunft: Europa, Schweiz, St. Gallen
Datierung: 1911
Hersteller(in): Martha Cunz (1876-1961)
Material: Farbholzschnitt 4 Langholz-Stöcke (im Kunstmuseum St.Gallen erhalten); Farben: gelb, hell-graublau, grau, braun, dunkelblau
Masse: H 30,5 x B 34,9 cm
Inventarnummer: G 2009.202

Provenienz:
- 20.03.2009: Philippe Schuler Schuler Auktionen AG, Ankauf
- Kulturmuseum St. Gallen

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