Geschichte / Krämerladen, Käuferliladen für Martha Dürr
Krämerladen, Käuferliladen für Martha Dürr
"Martha Dürr Spezereihandlung und Manufakturwaren"
Zu den schönsten Krämerläden in unserem Museum zählt dieses liebevoll und sorgfältig gestaltete Beispiel aus der Zeit zwischen 1925 und 1930.
Supermärkte gab es damals noch keine, für Besorgungen ging man zu Fuss in die nahen Quartierläden, zum Bäcker, Metzger und in kleine Kolonialwarenläden beziehungsweise Spezereihandlungen.
Damit waren Lebensmittel- und Gemischtwarenläden gemeint.
Seit dem Mittelalter bezeichnete man mit «Spezereien» orientalische Gewürze, Kräuter und Zutaten zum Einmachen oder für Apotheken. «Manufakturware» war Meterware aus Stoff.
1995 meldete sich ein älterer Herr aus dem Lachen-Quartier, Jahrgang 1909, im Museum und lud den Konservator und seine junge Assistentin zu einem Besuch ein.
Auf dem Estrich zeigte er uns diese wohlgehütete Kostbarkeit.
Walter Dürr hatte das Lädeli deshalb so sorgsam aufbewahrt, weil er es als Jugendlicher selbst angefertigt und elektrifiziert hatte – als Geschenk für seine acht Jahre jüngere Schwester Martha.
Das ist Geschwisterliebe!
Das Lädeli gibt Einblick in eine Zeit im Umbruch.
Ein Telefonapparat erinnert daran, dass viele Haushalte damals noch keinen Telefonanschluss hatten und man zum Telefonieren in den Quartierladen ging.
Um 1930 tauchten auch die ersten Migros-Wagen von Gottlieb Duttweiler aus Zürich in den St.Galler Quartieren auf, spezielle Lastwagen mit herunterklappbarer Seitenwand, die dann den Ladentisch abgaben.
Der Chauffeur mutierte zum Filialleiter und verkaufte Waren bis zu 35 Prozent billiger.
Das Misstrauen der Bevölkerung war gross, aber trotz Boykotten veränderten sich die Einkaufsgewohnheiten zusehends.
So ist dieser Krämerladen ein wertvoller Zeuge der Kultur vergangener Tage.
mm
Datierung: um 1930
Material: Holz, Stoff, Metall, Glas
Masse: H 35 cm x B 93 cm x T 36,5 cm cm
Inventarnummer: G 1995.224
Provenienz:
- 05.10.1995: Walter Dürr, Schenkung
- Kulturmuseum St. Gallen
