Geschichte / Petschaft der Siechen von St.Gallen, Leprasiegel

Petschaft der Siechen von St.Gallen, Leprasiegel

"S. LEPROSOR APUD SATU GALLUM"

Bildliche Darstellungen sind wertvolle Ergänzungen zu schriftlichen Quellen, die Geschichte wird besser fassbar. Dieses Beispiel zeigt einen Aussätzigen beziehungsweise Leprakranken und ist ein besonders seltenes Zeugnis aus dem Spätmittelalter. Die Lepra war von der Antike bis ins 18. Jahrhundert in Europa allgegenwärtig. Die Krankheit wird durch Bakterien ausgelöst und ist über Tröpfchen- und Schmutzinfektion übertragbar. Für die damalige Welt, die von der Existenz der Bakterien noch nichts wusste, standen dahinter Probleme mit der «schwarzen Galle» und eine göttliche Strafe. Wer die Diagnose erhielt, an Lepra erkrankt zu sein, war wahrlich «en arme Siech» («siech» = immerzu kränklich; vgl. englisch «sick»). Dann hiess es, Abschied von der Familie zu nehmen. Fortan lebte man abgesondert und als Aussenseiter der Gesellschaft im Siechenhaus. Das älteste Leprosorium in der Schweiz geht auf den St.Galler Klostergründer Abt Otmar (reg. 719-759) zurück. Eine weitere Einrichtung für die Stadt entstand vor 1219 ausserhalb der Stadtmauern, im Linsenbühl. Das obige Siegel ist erstmals auf einer Urkunde von 1347 erhalten. Neben dem Heiliggeist-Spital war das Siechenhaus die wichtigste Fürsorgeinstitution der Stadt – mit Landgütern im Umland, um die Versorgung sicherzustellen und den sozialen Auftrag erfüllen zu können. Neben dem Siechenhaus stand die ehemalige Linsenbühlkirche, verbunden über eine gedeckte Brücke. Die Aussätzigen waren zu fleissigem Kirchgang angehalten, dienten auch als Fürbitter für andere Menschen. Um zu ihrem Lebensunterhalt beizutragen, mussten sie betteln gehen. Wie auf dem Siegel zu erkennen ist, trugen sie spezielle Kleidung, eine Almosenschale und eine Klapper. Damit machten sie auf sich aufmerksam, gleichzeitig war es ein Signal für alle, die Abstandsregeln einzuhalten. mm

Herkunft: Europa, Schweiz, Ostschweiz, St. Gallen
Datierung: 1347
Material: Messing mit Rippe
Masse: H 1,3 cm DM 3,5 cm
Inventarnummer: G 18422

Provenienz:
- Albert jun. Steiger (12. Mai 1874-2. Juli 1925), Ankauf
- Kulturmuseum St. Gallen

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